Rio
Reiser

Zeitreise

Rio Reiser und seine Zeit

Auf dieser Seite soll nach und nach das Leben Rio Reisers und seine Zeit in Form von Texten, Bildern und Videomaterial illustriert werden.

Wir haben angefangen einige Weggefährten Rio Reisers zu interviewen, die von Erinnerungen an die unterschiedlichen Zeiträume erzählen und ihre Begegnungen und ihre Arbeit mit Rio schildern. Nach und nach wird hier mehr entstehen.

Das erste Interview haben wir mit Sibyll Möbius geführt. Sie ist die Frau von Peter Möbius, dem älteren Bruder von Rio. Sie ist nicht nur seine Schwägerin, sondern arbeitete auch an verschiedenen Theater- und Musiktheaterprojekten mit Rio und Peter als Kostümbildnerin zusammen. Das Interview führt ihre Tochter Cäcilie Möbius. Im Interview spricht sie über ihre Begegnungen mit Rio Reiser, die Arbeit mit ihm und über die gemeinsamen Projekte.

Die erste Beatoper der Welt

Text von Rio Reiser

„Als ich 1967 nach Berlin kam war ich siebzehn Jahre alt, hatte vier Jahre humanistische Bildung in Nürnberg, ein Jahr Fotografenlehre und ein Jahr Cellostudium in Offenbach hinter mir. Meine Brüder, Peter und Gert, hatten mich gerufen. Wir wollten unserer Heimatstadt die Welturaufführung der ersten Rock-Oper der Welt schenken. Das Werk hatten wir soeben fertiggestellt. Mit dem Erlös aus dem zweifellos grandiosen Erfolg wollten wir das weiterentwickeln, was meine Brüder und einige andere Theaterfanatiker in Nürnberg begonnen hatten, ein buntes Volkstheater, beeinflusst von Donald und Dagobert Duck, den Panzerknackern, Ray Bradbury und Isaac Asimov und der Cornmedia del-l'Arte.

Die Brüder Möbius

Die Brüder Möbius, Pressefoto

Plakat für die Beatoper

Plakat für die Beatoper (Gestaltung: Peter Möbius)

Zeitungsausschnitt über die Beatoper

Zeitungsausschnitt zur Beatoper, B.Z., 29.06.67

Zeitungsausschnitt

B.Z., 12.06.67

Links-links sollte es sein, wie die meisten Ideen die aus den Katakomben des Nürnberger Jazzkellers kamen, der wie alle bundesdeutschen Jazzkeller damals die Brutstätte der neuen linken Bewegung war. Aber Jazz hin Jazz her, ich war nun mal der einzige Komponist weit und breit und interessierte mich nicht für Jazz. Hätte ich damals das Schimpfwort „intellektuelles Gewichse" gekannt, hätte ich's bestimmt zum Einsatz gebracht. Heute kenn ich's, will's aber nicht mehr bedingungslos auf diese und vor allem nur auf diese Musikrichtung anwenden.

Ich war der Hauskomponist und konnte das Theater im Stile der Nestroy-und Raimund-Couplets oder bayerischer Zwiefacher bedienen, sowas hatte ich oft genug im bayerischen Rundfunk gehört. Auch hatte ich mir den pompösen orientalischen Hollywood-Stil von Miklós Rózsa draufgeschafft. Rózsa hatte die Musik für „Ben Hur" geschrieben. Dieser Wiliam-Whyler-Schinken hatte den letzten Anstoss gegeben und mich zum radikalen Christen gemacht. Ich verweigerte mich der Konfirmation und besorgte mir aus dem Amerikahaus, dessen Bilbliothek einmal in der Woche von der Familie heimgesucht wurde, Bücher über das breitgefächerte Angebot der christlichen Sekten. Die einzige deren Überzeugung mich überzeugte die mir radikal genug war, war die „Gesellschaft der Freunde", die Quäker. Keine Gewalt, keine Sakramente, keine Priester, die Bibel nur ein Wegweiser. In jeder Religionsstunde stritt ich mich mit dem Lehrer, der ein alter CSU-Hase war über das „C" im Namen der Regierungspartei über das christliche an einer Bundeswehr über den Sinn des Strebens nach Macht und Karriere. So gestaltete ich den Unterricht etwas spannender und bekam seitdem immer eine „Eins“…“

Fortsetzung Folgt...